Alphabetisierungskurse

Rund sechs Millionen Menschen in Deutschland im erwerbsfähigen Alter haben gravierende Probleme beim Lesen und Schreiben deutschsprachiger Texte. Davon leben in Sachsen-Anhalt etwa 200.000. Bei der Gruppe der Zugewanderten und Geflüchteten im Speziellen fallen die Quoten höher aus: Der LevelOne (LEO) – Studie 2018 zufolge weisen etwa 42,6 Prozent der Personen mit einer anderen Herkunftssprache als Deutsch eine geringe Literalität für den deutschen Sprachraum auf. Das bedeutet, fast jeder:jedem zweiten Nicht-Deutsch-Muttersprachler:in fällt es schwer zusammenhängende Texte zu lesen und zu schreiben.

Für Neuzugewanderte und Geflüchtete, die das lateinische Alphabet grundsätzlich neu lernen müssen, gibt es spezielle BAMF-Integrationskurse mit Alphabetisierung. Zum Ziel haben diese, dass die Kursteilnehmenden das Sprachlevel A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) erwerben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellt jedoch fest, dass diese Kurse eine niedrige Erfolgsquote aufweisen. Eine Ursache dafür wird darin gesehen, dass die Kursteilnehmenden mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen den Spracherwerb beginnen. So können die bisherigen Bildungsverläufe und Lebensumstände, aus denen Neuzugewanderte und Geflüchtete nach Deutschland kommen, sehr verschieden ausfallen. Man unterscheidet beispielsweise zwischen Personen, die mit Schriftsprachen nicht vertraut sind und Personen, die in ihrer Erst- oder Muttersprache bereits alphabetisiert sind. Aber auch die Dauer des Schulbesuchs im Herkunftsland, das Alter, die familiäre Rollenverteilung (vor allem bei Frauen) sowie posttraumatische Belastungsstörungen können Hürden im Alphabetisierungsprozess darstellen.

Zusätzliche Kurs- und Unterstützungsangebote sind jenseits der BAMF-Kurse nicht selten schwer zugänglich, vor allem für Zugewanderte und Geflüchtete in ländlichen Regionen oder mit begrenzten finanziellen Mitteln. Der grundlegende Spracherwerb ist jedoch ein nicht zu unterschätzender Baustein für berufliche und gesellschaftliche Teilhabe.

Im Folgenden sind Anlaufstellen und Kursangebote in Sachsen-Anhalt gelistet, die bei der Suche nach passenden Angeboten zur Alphabetisierung von Zugewanderten und Geflüchteten unterstützen können. Darüber hinaus finden Sie Informationen zu finanziellen Fördermöglichkeiten von Kursen sowie Praxishilfen und Hintergrundinformationen für Berater:innen und Begleiter:innen.

Alphabetisierungskurse und Anlaufstellen in Sachsen-Anhalt

Kurse vor Ort:

Die Integrationskurse mit Alphabetisierung, oder auch Alphabetisierungskurse, des BAMF sind Teil des Eingliederungsprogramms der Bundesregierung für Neuzugewanderte. Die Alphabetisierungskurse sind dabei ein spezielles Format für diejenigen, für die das lateinische Alphabet eine fremde Schrift darstellt bzw. die grundlegende Lese- und Schreibfähigkeiten erlernen müssen. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Mit dem Kursnavigator des BAMF lassen sich schnell und einfach die nächstgelegenen BAMF-Alphabetisierungskurse vor Ort finden.

In KURSNET – Dem Portal für berufliche Aus- und Weiterbildung der Bundesagentur für Arbeit gibt es eine Liste bundesweiter Kursangebote. Die Suche lässt sich auch nach der Region Sachsen-Anhalt oder nach unterschiedlichen Zielgruppen und Bildungszielen filtern.

Auf dem Portal erwachsenenbildung-lsa.de werden weitere aktuelle Kursangebote für den Spracherwerb gelistet.

Auch bei kommunalen Volkshochschulen gibt es die Möglichkeit, sich über Kursangebote zu informieren. Auf dem Portal des VHS-Landesverbandes Sachsen-Anhalt sind die Kontaktadressen der Volkshochschulen gebündelt. 

Darüber hinaus bieten Sprachschulen, Weiterbildungsinstitute, Vereine und kirchliche Träger Sprachkurse und Lernformate für unterschiedliche Sprachlevel und Zielgruppen an.

Weitere Ansprechpartner:

Landesweiter Ansprechpartner im Themenbereich Alphabetisierung ist die Fach- und Koordinierungsstelle Alphabetisierung und Grundbildung in Sachsen-Anhalt. Das Informations- und Beratungsangebot richtet sich primär an gering literalisierte Erwachsene (mit nicht ausreichenden Lese- und Schreibkompetenzen).

Fördermöglichkeiten

Bildungsgutschein nach SGB III - Bundesagentur für Arbeit

Nach § 81 Abs. 3 (a) SGB III können arbeitslose und von Arbeitslosigkeit betroffene Personen von der Bundesagentur für Arbeit für Alphabetisierungs- und Grundbildungskurse mittels Bildungsgutschein gefördert werden. Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Grundkompetenzen der Person nicht ausreichen, um erfolgreich an einer berufsqualifizierenden Weiterbildung teilzunehmen.

Bildungsprämie des Bundes– Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF)

Mit der Bildungsprämie unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Personen mit geringem Einkommen bei der beruflichen Weiterbildung bundesweit. In Sachsen-Anhalt können über die Bildungsprämie des Bundes bei bis zu 1.000 Euro Kursgebühren bis zu 50% gefördert werden.

Mehr Informationen zur Finanzierung von Kursgebühren im Rahmen von Weiterbildungen finden Sie hier.

Praxishilfen

Den Alphabetisierungsprozess verstehen

Die Stelle für interkulturelle Arbeit des Sozialreferats der Stadt München beschreibt in der Handreichung „Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch“ (2018) wie der Alphabetisierungsprozess für Personen mit anderer Herkunftssprache aufgebaut ist. Dabei stellt die Handreichung auch mögliche Ursachen für die geringe Literalisierung dar und geben eine Übersicht zu den verschiedenen Alphabetisierungsstufen.

Alphabetisierung im Ehrenamt begleiten

Der Leitfaden „Alphabetisierung im Ehrenamt begleiten. So meistern Sie die Herausforderung“ (2017) des Thüringer Vereins Kindersprachbrücke Jena e.V. informiert über Möglichkeiten als Ehrenamtliche/r die Alphabetisierung von Geflüchteten zu unterstützen und zu begleiten.

Weiterführende Informationen

Alphabetisierung und Literalisierung in Deutschland

Die „LEO-Studie – Leben mit geringer Literalität“ von 2018 wirft einen umfangreichen Blick auf den Alphabetisierungs- und Literalisierungsstand in der Bevölkerung. Dabei geht sie auch auf die unterschiedlichen Formen von Analphabetismus und Literalisierung ein und betrachtet die verschiedenen Lebenssituationen gering literalisierter Menschen. Unter anderem geht sie dabei auch gesondert auf die Herausforderungen ein, denen sich Zugewanderte beim Sprach- und Schriftlernen stellen müssen.

Alphabetisierung von Zugewanderten und Geflüchteten mit Deutsch als Erstschrift

Das Working Paper „Erste Schrift und zweite Sprache. Migrant_innen ohne oder mit geringer formaler Bildung in Alphabetisierungskursen“ (2021) des Instituts für Migrationsforschung und interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück fasst Erkenntnisse aus nationaler und internationaler Forschung und Praxis über den Schriftspracherwerb von Migrant/-innen, für die die Zweitsprache die erste Schriftsprache darstellt. Dabei geht das Paper auf Herausforderungen sowie die Rolle der Lehrpersonen ein.